Der Geist der Weihnacht

Der Geist der Weihnacht

Die Schmitt, die gerade noch in glühweinseliger Verklärtheit den Tisch umklammert hatte, öffnete, durch das Spiel einer Blockflöte aufgescheucht, hektisch die Äuglein. Offensichtlich war sie auf einer Weihnachtsfeier und offensichtlich war der Dahlmann schuld, der mit zufriedenem Gesicht neben ihr saß. Nun gut, jetzt galt es zu vertuschen, dass man offensichtlich vergessen hatte, wo und warum man hier war. Unauffällig sein, ja, das war die Lösung. Die Schmitt eierte Richtung Toilette und stieß fast mit jemandem zusammen. Nein, es war nur die Statue der Mutter Maria mit dem Jesuskind. Die tut ja nix.  Deswegen lächelte die Schmitt der heiligen Jungfrau zu. Sie zwinkerte zurück. Dass man die sanitären Anlagen aufsuchte und nicht die Straße verunreinigte, war schließlich eine gute Tat.

Zurück am Tisch bemerkte die Schmitt, dass erneut die Blockflöte gespielt wurde. „Gniii“, entfuhr es der Schmitt, denn als das Spiel einsetzte, fuhr eine Stripteasestange aus der Decke. An ihr rutschte eine dickliche Putte herab, die mit Flügeln und einer Pampers ausgestattet war. Die Schmitt war nahe genug, um das Label der Windel zu erkennen. Die Schmitt rüttelte, aufgrund diverser Phobien, panisch am Dahlmann. „Schmitt, die spielen doch“, kam es von ihrem gleichgültigen Gefährten. Die Schmitt musste nun allein zusehen, wie der kleine dicke Engel kopfüber an der Stange herabrutschte. Seine pummeligen Füße wiesen in Richtung Decke, sein Lächeln wirkte satt und zufrieden. Er setzte mit seinem Windelhintern auf dem Tisch auf und gluckste und gackerte fröhlich. Dann schritt er, mit dem Selbstbewusstsein einer Person, die jedes ihrer Pfunde liebt, über den Tisch und streute unbemerkt Glitzer auf die Gäste. Manchmal wedelte er rhythmisch mit dem Hintern vor den Gesichtern der Anwesenden herum – was wirklich schwierig bei Oh, du Fröhliche ist.  Dann wandte er sich der Schmitt zu. Er sprach mit der quakigen Stimme eines Kleinkindes: „Siehe, ich verkünde Dir eine…“ – „Gniiii“, rief die Schmitt, die wieder Angst bekam. „… Botschaft“, versuchte die Putte die Botschaft an die Frau zu bringen. Die Schmitt, neugierig geworden, schwieg. „Verwechsle nie die blaue mit der roten Keksdose“, riet die dralle Putte. Alles verschwamm.

Die Schmitt erwachte durch Gerüttel. Die Kekskrümel pieksten fürchterlich. Eine geöffnete Dose stand auf dem Tisch. „Das ist die falsche Dose, Schmitt“, klagte der Dahlmann und rüttelte an der Schmitt, die sich röchelnd übergab. „Guck Dir die Sauerei an, Schmitt.“ Tadelnd deutete der Dahlmann auf das Wohnzimmer, das überall mit goldenem Glitzer ein ein paar weißen Federn dekoriert war. Die Schmitt hörte noch ein gackerndes Lachen, das sich schnell entfernte.

Fröhliche Weihnachten dann euch allen und Friede auf Erden.

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Der Geist der Weihnacht von Mirja Schmitt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.

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