25 Jahre Punkertreffen Wuppertal – ein Sommermärchen
Wuppertal, am neunten Tage des Juni. Alles ist friedlich.
Das Schmitti sitzt gerade in einem Blockseminar zum Thema ,,Gruppe 47 – Dichter und Richter“, da passiert es: Ein gewaltiger Rums in der Wuppertaler Innenstadt reißt alle Beteiligten aus ihrer Lethargie. Die Dozentin, die zauberhafte Frau Hummel, informiert uns: Es sei alles ganz normal, ,,25 Jahre Punkertreffen Wuppertal“ gäben Anlass zur emotionalen Erregung. Die Frau weiß Bescheid, wohnt sie doch in der Innenstadt.
Die nette Kommilitonin mit den Dreadlocks, deren Namen ich vergessen habe, und ich, beschließen, in der Pause die 20 Meter zum Rathausplatz zu gehen, um uns an dem Elend anderer zu delektieren.
Unglaubliche Szenen spielen sich ab. Eine Armee von Grüngekleideten hat beschlossen, den garstigen Pubertierenden endgültig den Spaß an Bier, Bier und nochmal Bier zu verderben. Aber wie kam es dazu? Das kostbare Bier sei als Wurfgeschoss verwendet worden, teilte mir ein Punk mit. Oh, Graus! Welch zornige Jugend! Welch Spirale der Gewalt!
Ein Mädchen weint: ,,Sie haben meinen Freund verhaftet und der hat doch Bewährung.“
Die nette Kommilitonin gibt ihr ein Brötchen und eine Mentholzigarette. Das ist wahre Menschenliebe. 😀
Später, nach zwei weiteren Stunden mit der Gruppe 47, geht es heimwärts. Es ginge heimwärts, wäre der schnellste Weg zum Bahnhof nicht von Horden von Polizisten versperrt, die die Mühe auf sich nehmen, jeweils 5-6 minderjährige Teenager einzukesseln, die mit dieser Heldentat erstens jetzt ordentlich auf dem Paarungsmarkt auftrumpfen werden, zweitens zu spät nach Hause kommen werden, und drittens noch ihren Enkeln davon erzählen können. Super, wenn ich Steuern zahlen würde, wäre ich jetzt vermutlich verbittert.
Ich gehe also einen Umweg, wobei ich noch einer Beamtin erklären muss, dass ich kein Punk bin. Nein, nur schwarz gekleidet. Am Bahnhof sieht es auch nicht anders aus: Grün ist die dominierende Farbe. Meine Frage, ob dies alles nicht übertrieben sei, stößt bei der Polizei nicht auf Gegenliebe. Die linke Gefahr ist allgegenwärtig. Die jungen Modepunks bedrohen die Republik. Gepanzerte Polizisten gegen kleine Mädchen in Netzstrumpfhosen. Hui, da sind Leben in Gefahr. Rostock ist überall!
Im Zug treffe ich noch zwei missverstandene Mädels mit bunten Haaren. Sie wurden in den Zug gestopft, dabei sind sie keine Punks, sondern Emos. Emos! Ihr Polizisten, bedenkt: Die Fehler, die ihr macht, fügen empfindsamen Seelen bleibenden Schaden zu. Emos sind bekanntlich noch sensibler als manche schwarze Seele, ihr gefühllosen Klötze!
Mein Fazit: ganz großes Kino. Die G8-Angst vor dem linken Pöbel wurde in der breiten Bevölkerung noch verstärkt, die Punks haben ihre alte Freundschaft zur Polizei erneuert und sowieso macht das alles keinen Sinn. Gut, dass morgen keine Wahlen sind. Vielleicht schreibe ich ein Manifest, nein, ein Gedicht. Oder auch nicht. Wir werden sehen.