Die Scham als solches…
ist ja eine unangenehme Angelegenheit. Nicht umsonst war unter einer peinlichen Befragung früher ein Interview zu verstehen, während dessen der Befragte furchtbare Qualen auszustehen hatte – zum Beispiel, wenn die Zehen mit Steinen platt gehauen wurden und andere Nettigkeiten. 😉
Griechisch heißt das ganze Geraffel πoινή (Strafe, Rache), auf Latein poena.
Daran kann man aber schon erkennen, dass die Blamage oder die Peinlichkeit zwar keine bleibenden Schäden am Körper verursachen, aber einen schwarzen Engel mit gebrochen Flügeln hinterlassen können, der seine stummen Schreie… Ach, ihr wisst schon.
Peinlichkeit kennt wohl fast jeder. Was ist peinlich?
Frühkindlicher Grausamkeit entspringt so manche Teufelei. Auf dem Schulhof reicht schon ein „du stehst auf den xy“ und schon ist der Pubertierende in der Falle. Folge dieser Aussage ist ein kräftiges Erröten, obwohl er völlig unschuldig ist, was dann ausreicht, den Betroffenen Wochen, wenn nicht gar Monate damit zu quälen. Hier ist der Übergang zur Folter zu erkennen. Oh, wie glücklich, der, der der Pubertät entronnen…
In dieser Phase entsteht aufgrund des Leidensdrucks eine Menge zweifelhafte Poesie.
Manchmal aber holt einen das Schreckgespenst aus der Vergangenheit ein. Das Monster heißt Fremdscham und ist sogar bei Wikipedia zu finden. Fremdscham ist das, was das Schmitti zum Beispiel empfindet, wenn es sich mit seiner Mutter in der Öffentlichkeit sehen lassen muss und diese viel zu laut über die Leute in der Stadt herzieht. Fremdscham ist das Gefühl, wenn man in weiblicher Begleitung ist und plötzlich die Hormone eskalieren und die Freundin mit lauten Ausrufen den Service der Gastronomie schmäht und beinahe weint.
Fremdscham entsteht, wenn das Schmitti eine Geburtstagsparty besucht, wo alle gemütlich sitzen und sich unterhalten und nur der damaliger Freund der Schmitti trotz aller Ermahnungen, Bitten und Flehen tanzen musste – wie ein Hippie! -, weil er dem Grase zusprach. Das Gefühl des gesellschaftlichen Untergangs war in dem Moment greifbar. In dem Moment ließ das Schmitti alle Hoffnung fahren… Danke xy! O_o
Für viele Menschen ist die Furcht vor der Blamage recht läppisch, aber wenn wir gaaaanz weit zurück gehen, ist die Angst vor dem Gesichtsverlust die Angst, aus der Herde ausgeschlossen zu werden. Dies bedeutete für den durchschnittlichen Höhlenmenschen, dass er allein den Gefahren der Wildnis trotzen musste. Das macht betroffen.
Die Fremdblamierer lösen in ihrem Opfer also die Urangst aus, allein und verlassen mit einem Zahnstocher vor einem Säbelzahntiger zu stehen.
Das ist sehr gemein und gehört sich nicht!
Zum Abschluss noch ein Zitat:
„Um edel zu empfinden, // Lasst Scham nicht aus der Seele schwinden.“ – Wolfram von Eschenbach, Parzival
Ein Gedanke zu „Die Scham als solches…“
Spannende Frage, die Du da aufwirfst. Ich habe die hochnotpeinliche Befragung immer so einsortiert, dass das peinlich auf das mittelhoch- oder altdeutschen Pine oder Payn zurückgeht, also Schmerz. Pein für Schmerz ist ja im deutschen fast ausgestorben, pain im englischen hat sich gehalten.
Also habe ich das immer als „schmerzvolle Befragung“, nicht als peinliche Befragung im Sinne von „Oh Gott, wenn das der Nachbar sieht“ verstanden.
Ob das jetzt ethymologisch den gleichen Ursprung hat (Strafe = Schmerz = Peinlich) hat, oder aus einer ganz anderen Ecke kommt, musst Du mal einen Germanisten fragen 😉
Zum Thema peinlich: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert. Je weniger man auf das gibt, was andere von einem denken, um so freier kann man leben. Und wenn Dir das sogar ein Schlipsträger erzählt, muss da was dran sein!