Stöckchen: Weihnachtsgeschichte auf Raten

Stöckchen: Weihnachtsgeschichte auf Raten

Der Dahlmann hat mir sozusagen die virtuelle Schreibfeder zugeworfen, auf dass ich die Geschichte, die er und die unten genannten mir Unbekannten bereits begonnen haben, weiterführe. Das werde ich tun. 😀

Himmelschwarz
Konna
Feronia
Hannah
Chris
Hakan
Chaosmacherin
Rumi
pVt_m4sTeR
Eglathôlion

Jetzt noch kurz die Regeln, danach geht’s endlich los. :-)

Jeder schreibt so viel er möchte, einen Satz, oder zwei oder auch einen oder mehrere Absätze und reicht den Gesamttext dann an eine Person weiter, und so soll bis zum 24. eine Geschichte entstehen. Lustig, traurig, besinnlich, eigenartig, kritisch oder von allem ein Bisschen was. Dem Ganzen sind keine Grenzen gesetzt.

Bitte verknüpft immer diejenigen, die vor euch das Stöckchen hatten, damit die Story nicht „verloren“ geht.

Sie würde wieder zu spät kommen, sie wusste es, aber was konnte sie denn schon dafür, dass ihr der verdammte Bus vor der Nase davongefahren war? Der dämliche Busfahrer hätte ja auch kurz warten können und nicht noch extra auf die Tube drücken müssen. Wenn es nicht auch noch so schrecklich kalt wäre. Sie hüpfte von einem Bein auf das andere und versuchte sich mit Gedanken an den Sommer zu wärmen. Doch sommerliche Gedanken waren bei diesen Temperaturen und dem Anblick von abertausenden LEDs, die Weihnachtsmänner, Rentiere, Geschenkepäckchen, Christbäume und anderen Weihnachtskitsch bildeten, nicht einfach.

Da es ewig dauern würde, bis der nächste Bus käme, konnte sie genauso gut auch zu Fuß weitergehen. So blieb sie immerhin in Bewegung und das war allemal besser als zitternd herumzustehen und zu warten, zumal es sowieso nicht abzusehen war, wann und ob der nächste Bus käme, denn das Schneegestöber wurde immer heftiger. Sie erinnerte sich noch genau an die Worte des Radiomoderators: „Wenn es nicht unbedingt sein muss, dann bleiben Sie daheim, es wird ungemütlich und bitterkalt!“ Sie wiederholte die Wörter in ihren Schal murmelnd, den sie bis über die Nase gezogen hatte. „So ein Schlaumeier“, sprach sie dann etwas deutlicher. Es war ja niemand da, der sie hätte hören können. Allein stapfte sie durch den Schnee, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und dachte nach. Darüber, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, ihr Kommen zugesagt und sich auf den Weg gemacht zu haben. Und natürlich über die möglichen Folgen ihrer Verspätung. Sie ärgerte sich über sich selbst.

Sie wurde immer wütender. Auf sich selbst, das Wetter, die ganze Welt. Natürlich war kein Mensch draußen unterwegs, natürlich wurde das Schneetreiben noch dichter und natürlich würde sie so eine Ewigkeit für den Weg brauchen. „Ich sollte wenigstens anrufen, um Bescheid zu sagen!“ Sie fing also an, in ihrer Tasche zu wühlen. Eine von diesen großen, praktischen, in denen man seinen halben Hausstand unterbringen konnte und nie das fand, das man gerade wollte. Schnee fiel in die Tasche, während sie suchte. Sie fluchte, sie kramte, sie fand dort alles Mögliche, aber nicht das Handy.

Sie spürte, wie die Wut in ihr größer wurde und wie immer, wenn das geschah, begann es vor ihren Augen zu flimmern. Zitternde Sterne mischten sich unter das Schneegestöber, leuchteten im gleichen Pulsieren wie ihr schneller werdender Herzschlag und brannten in ihren Augen, die sie ärgerlich zusammenkniff. „Nicht jetzt!“, murmelte sie sich selbst zu, doch der weinerliche Ton ihrer Stimme schürte ihren Zorn erneut. Sie hasste es, wenn sie sich anhörte wie ein kleines Mädchen.

Das altbekannte Kribbeln begann in ihren Fingern, die von der Kälte bereits bläulich schimmerten, nun jedoch langsam wieder an Farbe gewannen. Als sie die Augen beinahe verzweifelt wieder öffnete, sah sie, wie die Sterne, die vor ihren Augen getanzt hatten, zu ihren Fingerspitzen flogen. Knisternd wie freigesetzte Elektrizität verharrten sie dort, darauf wartend, gelenkt zu werden und sie wusste, dass sie keine andere Wahl mehr hatte. Sie musste ihren Zorn entladen, ehe er sich gegen sie wandte. Suchend sah sie sich um und hob ihren Kopf, als sie ein leises Rascheln über sich hörte. Sicher ein Vogel. Einen Vogel konnte sie opfern. Lieber einen Vogel als einen Menschen. Entschlossen hob sie ihre Arme, die Sterne an ihren Fingern leuchteten auf, schmolzen die entgegenkommenden Schneeflocken, und mit einem leisen Keuchen entließ sie sie in die Nacht. Wie ein winziger Komet flogen sie nach oben und ein leiser Schrei entfuhr ihr, als das Leuchten die Umgebung erhellte, und sie erkannte, dass es gar kein Vogel war. Doch es war bereits zu spät.

„Nein!“, murmelte sie und rannte auf die Absturzstelle zu.

„Nein!“, schrie sie auch nochmal, als sie an diesem großen Fleck ankam, der sich in den Schnee geschmolzen und durch die dünne Eisschicht gebrochen hatte. Überall lagen die klaren Zeichen eines schrecklichen Unfalls im weißen Samt des Schnees versenkt, schmolzen sich ihren Weg unter die Schneedecke. Sie traute ihren Augen kaum und musste zwei mal blinzeln, um dem Schrecken gewahr zu werden, den sie gerade durch etwas Wut angerichtet hatte.

Überall auf der weichen Oberfläche, die das Mondlicht sanft reflektierte, brannten kleine Packschleifen, buntes Geschenkpapier und wollene Socken. Im Epizentrum, der Stelle mit der größten Schneeverdrängung, waren lediglich noch die Kuven eines Schlittens zu sehen. Hastig machte sie sich daran, das riesige Gefährt freizulegen, nicht wissend, was sie erwarten würde.

Je mehr sie buddelte, desto schneller wurde sie, je schneller sie wurde, desto heftiger bebte ihr Herz, je heftiger es bebte, desto zittriger wurden ihre Hände, ihr Atmen. Das Weiß des Schnees verschmolz Handschaufel um Handschaufel mit dem Weiß ihrer Haut. Sie saß auf dem Boden, und bei dem Versuch, Gott weiß wen zu befreien, schüttete sie sich immer mehr selbst zu, der Schnee stand ihr schon bis zum Bauchnabel. Die Kälte des Eises trieb das Blut zurück in ihren Körper und lackierte ihre Finger violett. Sie brannte. Plötzlich stieß sie mit voller Wucht auf Widerstand, ihr Nagel brach ab, sie tröpfelte rot auf weiß, auf schwarz. Schwarz, warum schwarz?

Sie grub noch ein Bisschen tiefer, und was sie dann sah ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Da lag ein kleines, rothaariges Mädchen in einer schwarzen Jacke. Sie sah ein bisschen aus wie … Nein, das konnte nicht wahr sein!

Immer noch verwundert schaute sie auf das Fleckchen vor sich und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Im ersten Moment dachte sie, dass sie sich einfach irrte und ihr kalter Körper sich irgendetwas eingebildet hatte, doch sooft sie blinzelte, das Bild vor ihr veränderte sich nicht. Die roten Haare des Mädchens sahen in dem weißem Schnee aus wie feine Blutgerinnsel. Dann schüttelte sie den Kopf und versuchte sich wieder darauf zu konzentrieren wer, oder was sie denn vor sich liegen hatte.

Sie starrte das Mädchen regelrecht an und beobachtete, wie die Schneeflocken auf ihrer Haut schmolzen. Nachdem sie sich wieder besonnen hatte, eher herauszufinden was ihr fehlt und wer sie war, als sie pausenlos anzustarren, bewegte sich das Mädchen.

„Weiter graben“, murmelte sie und versuchte das verschüttete Mädchen weiter freizulegen. Sie konnte keine offensichtlichen Verletzungen erkennen, entdeckte allerdings ein merkwürdiges Tattoo auf der Innenseite des Armes des Mädchens. Es erinnerte sie an ein antikes Symbol, dass sie schon einmal in einem ihrer wirren Träume gesehen hatte. „Wer war dieses Mädchen?“, fragte sie sich lauter als beabsichtigt. Da erwachte das Mädchen, sah sich mit großen Augen um und fragte:
„“Wo bin ich?“
„In Sicherheit“ , sagte sie.
Das Mädchen war schwach, so schwach, dass sie postwendend wieder ohnmächtig wurde. Sie beschloss, das Mädchen mitzunehmen, was angesichts ihrer Ohnmächtigkeit recht schwer werden dürfte.

„Langsam“, sagte sie sich. „Nachdenken.“ Sie hatte sich also wieder einmal nicht beherrschen können und ihre Wut siegen lassen. Dabei hatte sie aus Versehen den Weihnachtsmann vom Himmel geholt, der sich letztlich aber als rothaariges Mädchen entpuppt hatte, der die eine schwarze Jacke trug und nun ohnmächtig war. Eine schwierige Situation, dabei wollte sie doch einfach nur mit ihren Freundinnen Weihnachten feiern. Na ja … mit ein paar Freundinnen und ein paar Jungs. Nun, und ein paar Flaschen Glühwein. Und Amaretto, versteht sich. Aber das musste nun wohl erst einmal verschoben werden. „Die Weihnachtsfrau braucht Hilfe“, sagte sie entschlossen und rappelte sich auf. Sie musste sie hier wegbringen. Als sie sich umschaute, überlegend, wie sie die Verletzte transportieren konnte, bemerkte sie plötzlich die Rentiere, die sie zuvor gar nicht gesehen hatte. „Natürlich“, freute sie sich. „Wo ein Schlitten ist, ist auch ein Rentier, heißt es doch im Volksmund“, jauchzte sie.

Nachdem sie schließlich den Schlitten wieder ausgegraben und die noch flugfähigen Rentiere wieder eingespannt hatte – zwei hatten sich die schwer verletzt; aber sie hatte weder den Mut noch die Waffe, um sie von ihrem Leid zu erlösen; aber sicherlich könnte man auch später zurückkommen und sie irgendwie wieder heilen. Vielleicht.  –, verfrachtete sie die junge Rothaarige auf den Schlitten, arretierte sie mit rotem Geschenkband und flog los.

Nach ein paar Minuten hatte sie sich an die gewöhnungsbedürftige Steuerung des protzigen Schlittens gewöhnt und konnte auch etwas die Aussicht genießen. Plötzlich wurde sie eines Geräusches gewahr: Hinter ihr stöhnte die Weihnachtsfrau jämmerlich. Sie schreckte hoch, verdrehte die Augen, übergab sich plätschernd auf die hell erleuchtete Stadt unter ihr – und sackte erneut ohnmächtig zusammen.

Was hat diese kleine Person wohl für Verletzungen? Sie hatte von ihrem letzten Erste-Hilfe-Kurs alles vergessen und sie konnte unmöglich gleichzeitig den Schlitten lenken und sich um das Mädchen kümmern. Sie beschloss, den Schlitten zu landen. Im Vorgarten eines Medizinstudenten, den sie einst auf einer Party … Wie dem auch sei, er konnte dem Mädchen helfen und sie konnte vertuschen, dass sie ein Flugobjekt auf unorthodoxe Art und Weise vom Himmel geholt hatte. In einem Krankenhaus würde man komische Fragen stellen.

Die Landung gestaltete sich allerdings erneut schwierig. Sie kam mit einem heftigen Rumms auf und fuhr – mit immer noch hoher Geschwindigkeit – auf den rustikalen Jägerzaun zu. Der Schlitten mähte den Zaun um wie eine Mercedes E-Klasse einen unterwürfigen Kleinwagen. Das Gefährt schlidderte über den Schnee und kam an einem Apfelbaum zum Stehen. Unglaublich, er hatte keinen einzigen Kratzer abbekommen!

Sie warf sich die röchelnde Kleine über die Schulter und klingelte bei Hans, dem Medizinstudenten. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis der Penner endlich die Tür öffnete. Sie konnte ihre Finger kaum mehr spüren. Auf dem Scheißschlitten war es wirklich kalt gewesen. „Was dauert das so lange?“, schrie sie den verdutzten Hans an. Sie merkte, dass ihre Stimme wieder hysterisch klang. Hans tangierte dies nicht. Er war dicht bis in die Haarspitzen.
„Was is’n?“, nuschelte er. Sie schubste ihn beiseite und legte die Kleine auf das schmierige Sofa. „Mach was!“, verlangte sie ungeduldig, während sie Hans immer wieder ohrfeigte.

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Das Stöcken habe ich an das Candra_Bo weitergegeben. 🙂

4 Gedanken zu „Stöckchen: Weihnachtsgeschichte auf Raten

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